SIBO – Ursachen, Diagnostik und Behandlung
SIBO bedeutet „Small Intestinal Bacterial Overgrowth”, was auf Deutsch so viel wie Bakterielle Überwucherung und Fehlbesiedlung des Dünndarms bedeutet. Diese wird im deutschsprachigen Raum mit (bakterieller) Dünndarmfehlbesiedlung (DDFB) übersetzt.
SIBO-Definition
In den letzten Jahren ist diese Erkrankung stets präsenter geworden, da in der breiten Bevölkerung viel mehr über den Darm sowie die darin vorkommenden Bakterien und Mikroorganismen bekannt geworden ist.
Im menschlichen Körper leben etwa 39 Billionen solcher Bakterien und Mikroorganismen, wovon sich ein Großteil (rund 70 %) im Darm befindet. Die Gesamtheit aus der im Darm vorkommenden Bakterien nennt man auch Mikrobiom. Vergleicht man nun konkret den Dünndarm und den Dickdarm, so kommen im Dickdarm eine Million Mal mehr Bakterien und anderen Organismen vor als im Dünndarm – im Dünndarm sind es gerade einmal 1.000 Bakterien pro Milliliter, im Dickdarm sind es hingegen 1.000 000 000 Bakterien pro Milliliter!
Neben dem Wissen über die Notwendigkeit und Wichtigkeit dieser Mikroorganismen, verstärken auch die neuen Kenntnisse über das Reizdarmsyndrom (RDS) das Interesse an SIBO, da sich beide Krankheitsbilder sehr ähnlich sind. Denn immer mehr wissenschaftliche Studien bestätigen die große Relevanz eines gesunden Darms für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden.
Darmbakterien sind am richtigen Ort wichtig für die Darmgesundheit
Dickdarmbakterien unterstützen den Körper unter anderem bei der Nahrungsaufnahme. Sie helfen ihm dabei, die nötigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe zu verarbeiten und über die Darmschleimhaut aufzunehmen. So sichern die Bakterien im Dickdarm ca. 10 % der Energieaufnahme des Menschen. Darüber hinaus schützen Darmbakterien den Körper auch vor Krankheitserregern. Wir sollten also ein verstärktes Interesse daran haben, den Darm gesund zu halten oder dafür zu sorgen, dass er es wird.
Bei SIBO befallen Dickdarmbakterien den Dünndarm
Bei SIBO findet sich im Dünndarm ein Übermaß an Bakterien, die eigentlich im Dickdarm und Enddarm vorkommen. Das beinhaltet unter anderem Bakterien, die bei der Verdauung von Kohlenhydraten Gase produzieren. SIBO bedeutet also, dass zu viele Bakterien im Dünndarm vorhanden sind und dass es sich bei diesen um die falschen Bakterien handelt.
Das führt zu zwei Hauptprobleme:
Die Bakterien greifen die Dünndarmschleimhaut an und die Bakterien bilden vermehrt Gase. Beide Reaktionen verursachen schmerzhafte und unangenehme Beschwerden wie u.a. starke Blähungen
Sieht man sich die Gase etwas genauer an, die im Dünndarm durch die übermäßige Anzahl an Bakterien und Mikroorganismen produziert werden, so fällt eine erhöhte Anzahl an Wasserstoff und Methan auf. Der Wasserstoff wird hierbei durch Bakterien erzeugt, das Methan wiederum von anderen Mikroorganismen. Richtigerweise beschreibt SIBO somit nur ein Übermaß an Bakterien im Dünndarm. Sind zu viele Mikroorganismen vorhanden, die Methan erzeugen, so wird das auch als IMO (Intestinal Methanogen Overgrow) bezeichnet – also einer Überwucherung mit Organismen, die Methan erzeugen. Diese beschränken sich oft nicht nur auf den Dünndarm, sondern auch auf den Dickdarm, wodurch sich die Problematik noch weiter verstärkt. Da SIBO wiederum andere Krankheiten verursachen kann, ist die rechtzeitige Diagnose und Behandlung sehr wichtig. Zu diesen Krankheiten zählen unter anderem chronische Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Depressionen.
SIBO-Ursachen
Für das Verständnis von SIBO ist jedoch nicht nur die Wirkung des Bakterienüberschusses im Dünndarm relevant, sondern auch die Ursache, wie es überhaupt zu dieser Vielzahl an Mikroorganismen kommt. Denn eigentlich enthalten Magen und Dünndarm nur eine geringe Anzahl an Bakterien. Diese werden durch Magensäure, Gallenflüssigkeit und den Eigenbewegungen dieser Organe (Peristaltik) reguliert.
Eine Ursache von SIBO ist die Fehlfunktion einer Klappe (Ileozökalklappe), die als Barriere zwischen Dünndarm und Dickdarm dient. Funktioniert sie nicht einwandfrei, ist es Bakterien möglich, in den letzten oberen Teilen des Dünndarms zu gelangen. Ein weiterer Faktor kann zu wenig Magensäure sein, die den Körper normalerweise bei der Regulierung der Bakterien unterstützt. Dafür können die Einnahme bestimmter Medikamente (wie Magensäureblocker) oder eine bakterielle Infektion des Magens verantwortlich sein. Auch die Eigenbewegung des Dünndarms sorgt dafür, die Menge der Mikroorganismen im Darm zu kontrollieren. Kann sich der Dünndarm nicht gut bewegen, wie es bei chronischen Erkrankungen der Fall ist, so kann auch das zu einer erhöhten Anzahl an Bakterien beitragen und so SIBO begünstigen. Da an der Bakterienregulierung auch die Gallenflüssigkeit beteiligt ist, sind auch deren Veränderungen mitverantwortlich für die Entstehung von SIBO. Weitere Risikofaktoren sind chronische Erkrankungen, Immunschwäche und anatomische Veränderungen des Darms, wie zum Beispiel nach einer Operation.
Häufigkeit von SIBO bei anderen Krankheiten
Es gibt noch keine sichere Aussage darüber, wie viele Personen der Gesamtbevölkerung an SIBO erkrankt sind. Erste Studien haben jedoch bei 20 % in einer sonst gesunden Bevölkerungsgruppe Anzeichen für SIBO festgestellt. Betrachtet man allerdings Personengruppen mit einer Vorerkrankung wie RDS (Reizdarmsyndrom), wurden diese Anzeichen sogar bei 84 % gefunden.
Neben RDS können auch andere Vorerkrankungen SIBO begünstigen. Hierzu gehören unter anderem Sklerodermie (entzündliche-rheumatische Autoimmunerkrankung des Bindegewebes), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse oder auch eine Schilddrüsenunterfunktion.
Wann entstehen SIBO-Beschwerden?
Im Wesentlichen entstehen SIBO-Beschwerden, wenn Patient:innen überempfindlich auf Nebenprodukte (Gase und Fettsäuren) der bakteriellen Fermentation reagieren. Das ist besonders bei Patient:innen mit Reizdarmsyndrom der Fall. In seltenen Fällen – vorwiegend bei schweren Formen und mit zunehmender Schädigung der Dünndarmepithelzellen – kann sich daraus ein Malabsorptionssyndrom entwickeln, das sich in einem Nährstoffmangel äußert. Denn je nach Ausprägung der Malabsorption, kann es sein, dass die Nährstoffe nicht mehr richtig oder ausreichend aufgenommen werden können. Da unvollständig aufgenommene Lebensmittel wiederum den Bakterien als Nahrung dienen, können sich diese nun noch schneller vermehren und die Symptome noch weiter verstärken.
SIBO-Beschwerden
SIBO und IMO können sich durch atypische Magen-Darm-Beschwerden äußern. Deshalb ist es schwierig bspw. Beschwerden einer chronischen Pankreatitis, eines RDS oder eines Morbus Crohn von den SIBO-/IMO-Beschwerden abzugrenzen, sodass Patient:innen oftmals zunächst andere Diagnosen gestellt bekommen.
- SIBO-Patient:innen berichten hingegen häufig von Diarrhö und Symptomen einer Mangelernährung.
- IMO-Patient:innen geben als Hauptbeschwerden Obstipation und Bauchblähungen an.
Beim Malabsorptionssyndrom können weitere Beschwerden hinzukommen, wie Stuhl mit fettiger, heller und übelriechender Konsistenz (Steatorrhö), Gewichtsabnahme oder Anämien, die sich aufgrund eines Nährstoffmangels (z. B. Vitamin B12, Vitamin D, Eisen) entwickeln. Darüber hinaus können sekundäre Formen einer Nahrungsmittelunverträglichkeit (z. B. gegenüber Laktose, Fruktose, Sorbit) entstehen. Zu Beschwerden außerhalb des Magen-Darm-Systems zählen Kopfschmerzen, Schwindel, Gedächtnisstörungen, Schläfrigkeit sowie Sprach- und Konzentrationsstörungen.
Wie wird SIBO diagnostiziert
Die SIBO-Diagnose kann gestellt werden, wenn die Bakterienmenge im Dünndarm mehr als 103 Organismen/ml entspricht und die typischen Symptome vorliegen. Zur Bestimmung der Bakterienmenge erfolgt die Kulturuntersuchung deshalb aus dem Dünndarminhalt.
Bei der Entnahme des Dünndarminhalts (sog. Punktion) wird unter Narkose minimalinvasiv mit einem Endoskop eine Probe von wenigen Millilitern entnommen. Diese wird dann labormedizinisch in Kulturen untersucht, um so die vorliegende Bakterienmenge zu bestimmen. Können mehr als 103 Organismen pro Milliliter nachgewiesen werden, kann eine Dünndarmfehlbesiedlung diagnostiziert werden. Allerdings kann bei dieser Methode die Probe (Aspirat) nur von einem kleinen Teil des Dünndarms entnommen werden – andere Bereiche werden nicht untersucht. Ein weiterer Nachteil ist, dass jeder Eingriff unter Narkose gewisse Risiken birgt und sehr aufwändig in der Durchführung ist.
Eine einfachere Methode ist der indirekte Nachweis von Bakterien im Dünndarm über einen SIBO-Atemtest. Mittlerweile werden in der Diagnostik eine Vielzahl von Atemtests verwendet – bei SIBO sind es Atemtests mit zwei Kohlehydraten. Der SIBO-Atemtest profitiert davon, dass die Bakterien beim Abbau der Kohlenhydrate im Dünndarm sowohl Wasserstoff als auch Methan erzeugen. Diese Gase gelangen zunächst in den Blutkreislauf und schlussendlich in die Lunge, weshalb sie in der Atemluft nachgewiesen werden können. Da es im menschlichen Körper keine Organismen gibt, die diese Gase produzieren, ist es einfach, Rückschlüsse auf SIBO und eine bakterielle Überwucherung zu treffen. Um den SIBO-Atemtest reproduzierbar und vergleichbar machen zu können, wird den Patient:innen eine definierte Menge an Kohlenhydraten verabreicht, um anschließend festzustellen, wie viel Wasserstoff und Methan sich in der Atemluft befindet.
Fordern Sie jetzt einen SIBO-Atemtest. Diese Methode ist nicht-invasiv, kostengünstig und birgt keine Risiken für die Patient:innen. Außerdem kann der SIBO-Atemtest überall leicht durchgeführt werden und wird von amerikanischen sowie europäischen Leitlinien zur SIBO-Diagnose empfohlen.
SIBO-Behandlung
Die SIBO-Therapie umfasst folgende Schritte:
1. Behandlung der zugrundeliegenden Krankheiten
Im ersten Schritt der SIBO-Behandlung werden zugrundeliegende Krankheiten diagnostiziert und behandelt. So müssen beispielsweise bestimmte Medikamente abgesetzt werden oder anatomische Veränderungen, die sich negativ auf die Darmbewegung auswirken, behandelt werden. Auch Krankheiten, welche die normale Darmbewegung (Darmmotilität) beeinträchtigen, sollen im Vorfeld behandelt werden.
2. Reduzierung der bakteriellen Fehlbesiedlung
Als nächsten Schritt der SIBO-Behandlung muss die Zahl der überflüssigen Bakterien im Dünndarm reduziert werden. Das geschieht meist durch Antibiotikagabe über einen definierten Zeitraum von 10-14 Tagen. Die Antibiotika-Therapie wird vom behandelnden Arzt begleitet. Zum Einsatz kommt ein spezielles Antibiotikum, welches im Blut über die Darmwand nicht aufgenommen wird und sich somit gut für die SIBO-Behandlung eignet. Eine Antibiotikatherapie kann basierend auf den Ergebnissen des SIBO-Atemtests gesteuert werden.
3. Ernährungsumstellung zur Rückfallprävention
Schon während der Antibiotika-Therapie oder kurz danach kann als dritter Schritt eine Ernährungsumstellung angestrebt werden, um SIBO langfristig zu behandeln. Ziel dieser Ernährungsumstellung ist es, den Bakterien möglichst wenig Nahrung im Dünndarm zur Verfügung zu stellen. Insbesondere kohlenhydratreiche Lebensmittel (sogenannte FODMAPs) sollten reduziert werden.
Eine niedrige FODMAP-Diät wurde am besten bei Patient:innen mit Reizdarmsyndrom (RDS) untersucht. Die Effizienz dieser Therapie lag hier bei bis zu 86 %, was mit der Effizienz einer Antibiotika-Therapie vergleichbar ist. Die Studienlage zur Wirksamkeit einer niedrigen FODMAP-Diät bei Patient:innen mit SIBO ist allerdings recht spärlich. Angesichts der höheren Effizienz der niedrigen FODMAP-Diät bei RDS sowie der höheren SIBO-Häufigkeit bei RDS-Patient:innen kann diese Diät auch bei SIBO-Patient:innen empfohlen werden.
Alternative Therapiemöglichkeiten
In den letzten Jahren haben alternative Therapiemethoden große Popularität erlangt. Hierzu zählen unter anderem Akupunktur, psychotherapeutische Methoden sowie Probiotika, Präbiotika und pflanzliche Wirkstoffe mit antibiotischer und prokinetischer Wirkung. Trotz der spärlichen Studienlage stellen solche Therapien besonders für diejenigen eine Option dar, die auf eine traditionelle SIBO-Behandlung mit Antibiotika nicht reagieren oder diese Behandlung aus persönlichen Gründen ablehnen.
Eine Studie untersuchte das Ansprechen einer traditionellen Antibiotika-Therapie sowie der Therapie mit den pflanzlichen Wirkstoffen, wie Dysbiocide® und FC Cidal™ (Biotics Research Laboratories, Rosenberg, TX) oder Candibacactin-AR® plus Candibacactin-BR® (Metagenics, Inc, Aliso Viejo, Kalifornien). Die Effizienz der SIBO-Behandlungen wurde mittels eines SIBO-Atemtests nach der 4-wöchigen Therapie kontrolliert. Es zeigte sich, dass sich der SIBO-Atemtest bei einer Therapie mit pflanzlichen Wirkstoffen tendenziell häufiger normalisierte als bei einer traditionellen Therapie.
Andere pflanzliche Wirkstoffe, wie Knoblauchextrakt (Allicin), Oregano, Zimt, Neem oder Berberitze, empfehlen sich ebenfalls zur SIBO-Behandlung. Ihre antibakterielle und anti-entzündliche Wirkung wurde bereits in klinischen Studien im Zusammenhang mit dem Reizdarmsyndrom oder anderen Magen-Darm-Krankheiten untersucht.
Wann wird eine SIBO-Therapiekontrolle empfohlen
Das Ansprechen der SIBO-Therapie wird zuerst durch eine klinische Verbesserung und anschließend mit Hilfe der SIBO-Atemtestkontrolle etwa ein bis zwei Monaten nach Therapieende kontrolliert. Die Werte der Anfangsdiagnose werden nun mit dem Atemtest verglichen und so der Fortschritt der SIBO-Therapie beobachtet. Das Ergebnis entscheidet darüber, ob die Dünndarmfehlbesiedlung weiterhin persistiert und eine zusätzliche Antibiotika-Gabe erforderlich ist. Als Vergleichswert und zum Wiederaufbau der gesunden Dünndarmflora ist es wichtig, vorher einen Status-Quo zu haben.
SIBO-Rückfälle nach ausreichender Therapie
Auch nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie kann es zu Rückfällen kommen und eine SIBO erneut auftreten. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei ca. 13 % nach 3 Monaten, ca. 28 % nach 6 Monaten und ca. 44 % nach 9 Monaten. Die genauen Ursachen für Rückfälle sind noch nicht abschließend geklärt.
Laut einer Studie hingen die höheren Rezidivraten zusammen mit dem hohen Alter der Patient:innen, einer dauerhaften Suppression der Magensäure oder einer zuvor durchgeführten Blinddarmoperation.
Liegt die eigentliche Ursache für SIBO bei einer anderen Erkrankung und wurde diese im Vorfeld nicht oder nicht ausreichend behandelt, ist die Wahrscheinlichkeit für einen SIBO-Rückfall ebenfalls relativ hoch. Bei einer Ernährungsumstellung kann es passieren, dass die unerwünschte Darmflora zu schnell aufgebaut wird.
Wie können SIBO-Rückfälle behandelt werden
Zur Behandlung von SIBO-Rezidiven wurden eine weitere Antibiotika-Dosiserhöhung, eine Verlängerung der Therapiedauer, ein Antibiotikawechsel, eine Fäkaltransplantation und eine Therapie der zugrundeliegenden Krankheit angestrebt. Laut einer Studie ist die Verwendung desselben Antibiotikums allerdings nur möglich, wenn zwischen der Erstbehandlung und dem Rückfall mehrere Monate oder Jahre liegen. Falls die SIBO innerhalb weniger Tage oder Wochen nach der letzten Therapie wiederkehrt, kann es sein, dass die Patient:innen zwei oder drei verschiedene, niedrig dosierte Antibiotika benötigen, die alle zwei Wochen gewechselt werden sollten. Auch pflanzliche Wirkstoffe, die eine antibiotische Wirkung haben, können verwendet werden. Dazu zählen Knoblauchextrakt (Allicin), Oregano, Zimt oder Berberitze – hierzu gibt es allerdings bislang nur wenige klinische Studien im Zusammenhang mit SIBO.